Beitrag in epd medien Nr. 29 vom 20. Juli 2018 (Webversion)
Leicht gekürzte Fassung für die Sendung Mehrspur von SWR2
Audioversion der SWR2-Fassung (leider etwas hallig)

Dem Publikum dienen

Frankfurt a.M. (epd). Wer gehofft hatte, in diesem Sommer eine medienpolitische Wende zu erleben, sieht sich getäuscht. Es liegen keine neuen Konzepte auf den Tisch, die dem heutigen Rundfunk eine Zukunft im Netz der Netze bahnen. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten, die eigens zu Strukturüberlegungen aufgefordert wurden, die über organisatorische Optimierungen hinausgehen, verweigern den Zukunftsdiskurs und legen ihr Schicksal in die Hände von Medienpolitikern und Lobbyisten. Untote Begriffe geistern durch die Papiere: die Presseähnlichkeit und der Sendungsbezug.Auf der anderen Seite ist die Entwicklungsdynamik der digitalen Medienumgebungen, in denen Presse und Sendungen keine Rolle mehr spielen, ungebrochen. Die öffentlichen Rundfunkunternehmen jedoch graben sich ein und hoffen offenbar, ihren Besitzstand so am besten verteidigen zu können.

Weiterlesen Neue Leitideen für den Rundfunk

Berichte

12.02.2018 | Die ARD-Audiothek-App hat das Potenzial, das zu zeigen, was vom Radio bleibt, wenn das System der linearen Programme zusammenbricht. Sie steckt allerdings noch in den Anfängen und hat viele u. a. durch den ARD-Verbund verursachte Kinderkrankheiten. Außerdem, und das wäre wohl das Wichtigste, muss sie nicht nur funktional, sondern auch rechtlich nach und nach von der Rolle eines bloßen Annex zum linearen Hörfunkprogramm befreit werden.

Fragwürdige und unübersichtliche Benutzeroberfläche – „Themen“, die in Wirklichkeit Sendreihen sind – „Sendungen“, die in Wirklichkeit redaktionelle Sendeplätze sind

In meinem Beitrag „Großes Potenzial. ARD-Audiothek aus Nutzersicht“ in epd-medien 06/2018 vom 09.02.2018 habe ich unter anderem diese acht Kritikpunkte dargestellt:

  1. Die Audiothek sollte als zentrales Programmangebot der ARD-Kultur- und Informationsredaktionen verstanden und auch so behandelt werden. Das bedeutet vor allem die Austattung mit einer Redaktion, die über die Qualifikationen und die zahlenmäßige Stärke einer Hörfunk-Kulturwelle verfügt. Die Audiothek hat das Potential, mit ihrer Nutzung die Reichweite jeder linearen wortorientierten Welle hinter sich zu lassen. Gerade deshalb benötigt sie die sorgfältige Einordnung, Präsentation und Kommentierung ihrer Angebote. Der automatisierte Rückgriff auf zufällig Vorhandenes, zum Beispiel Textbausteine aus dem Programm-Marketing, entwertet letztlich das Angebot.
  2. Zu den Aufgaben einer Redaktion zählt auch der ständige Dialog mit den Nutzern. Momentan bietet die Audiothek keinerlei Interaktionsmöglichkeiten an, was auch Autoren und die Redakteure in den beteiligten Anstalten schmerzen müsste.
  3. Die Nomenklatur der Angebots-Ebenen sollte komplett überarbeitet werden. Die „Episoden“ der Audiothek sind keine Episoden, die „Themen“ keine Themen, die „Sendungen“ keine Sendungen. Es ist sicher nicht einfach, schlagkräftige und allseits verständliche Benennungen für die einzelnen Kategorien zu finden. Die bisherigen Lösungen jedenfalls sind nur – seltsam. Das Know-how der vielen klugen Archivare in den Landesrundfunkanstalten könnte hier vielleicht helfen.
  4. Die Autoren und Beteiligten der einzelnen Elemente/Beiträge sollten in den Beschreibungen auftauchen. Momentan gibt es nicht einmal bei Hörspielen und Features Autorenangaben.
  5. Eins der wichtigsten Merkmale jedes Beitrags wird den Nutzern ebenfalls vorenthalten: die Verweildauer. Absurderweise taucht ein Hinweis auf die Verweildauer erst dann auf, wenn ein Beitrag aus dem Angebot herausgenommen wurde, jedoch noch in einer Liste enthalten ist. Nutzer dürfen erwarten, dass jeder Beitrag mit einem Verfügbarkeitszeitraum oder -datum gekennzeichnet wird. Das könnte auch die medienpolitische Sensibilität der Hörer und die Unterstützung zur Schleifung des Verweildauerkonzepts erhöhen.
  6. Ganz unverständlich und dringend revisionsbedürftig ist die Entscheidung, in der Audiothek die Livestreams der in ihr vertretenen Wellen nicht anzubieten. So schön es ist, dass ARD und Deutschlandradio ihre Streams bei sämtlichen Aggregatoren verfügbar machen, am sinnvollsten ist dies doch im eigenen Angebot. Hinter der Entscheidung lässt sich nur der schon erwähnte regionale Eigensinn vermuten. In diesem Fall stehen nicht nur die Interessen der Nutzer, sondern auch die erzielbaren Reichweiten auf dem Spiel. Sinnvoll wäre die Kombination der Livestreams mit dem Listing des jeweiligen Tagesprogramms und einer mehrtägigen Vorschau.
  7. Die schon erwähnte Problematik der fehlenden Hörspielangebote könnte durch redaktionelle Anstrengungen zumindest gemildert werden. In der Hörspielrubrik der Audiothek sollten alle tagesaktuellen Hörspiele mit Links zu den Programmtexten und den Livestreams aufgeführt werden, auch und gerade wenn sie anschließend nicht in der Audiothek erscheinen.
  8. Obwohl Smartphones die meistgenutzten Internet-Geräte sind, sind Tablet- und Desktop-Versionen der App natürlich wünschenswert. Diese Gerätekategorien ermöglichen eine bequemere Navigation und können mindestens ebenso leicht mit heimischen Audioanlagen verbunden werden.

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Heute, am 24.12.2017, wird Jonas Mekas 95 Jahre alt. Angesichts des ersten Drittels seines Lebens ist das ein sehr unwahrscheinliches Alter. Seine Tagebücher aus den Jahren 1944 bis 1955 enthalten Momentaufnahmen in einer schier endlosen Kette extremer und bedrückender Situationen. Das Unwahrscheinlichste ist die Sachlichkeit, mit der Erlebtes und Gehörtes aufgezeichnet wird, gelegentlich unterbrochen durch Kürzesterzählungen und ergänzt durch Photos aus dem Archiv des Autors.

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Jonas Mekas stammt aus Litauen, aus einer Bauernfamilie. Neben seiner Tätigkeit auf dem väterlichen Hof ist er ein besessener Leser und beginnt bereits als Jugendlicher zu schreiben und zu publizieren, auch noch unter den Bedingungen der litauischen Sowjetrepublik (durch den Hitler-Stalin-Pakt 1940) und der deutschen Besatzung 1941 bis 1944. Mit einem jüngeren Bruder bricht Mekas 1944 auf, um in Wien ein Studium zu beginnen. 1944! Auf ihrer Bahnreise nach Westen werden sie aufgegriffen und nach Elmshorn gebracht, wo sie bis zum Kriegsende in ein Zwangsarbeitslager gesteckt werden und in der Maschinenfabrik Neunert arbeiten müssen.

Weiterlesen Jonas Mekas, der ewige DP

Berichte

17.12.2017 | Die Diskussion über den Auftrag, die Finanzierung und die Zukunft der öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland hat 2017 eine noch nicht dagewesene Intensität erreicht. Die folgende Übersicht benennt die wichtigsten Themen und verlinkt die zugehörigen Texte und Videos. Der gesetzliche Auftrag, die Struktur der Rundfunkanstalten und die weitere Finanzierung durch den Rundfunkbeitrag werden 2018 ebenso Gegenstände neuer staatsvertraglicher Regelungen sein wie der für die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Systems entscheidende Telemedienauftrag.

— Der Beitrag erscheint auch auf ioer.org

Weiterlesen Öffentlich-rechtliche Medien: Krisenjahr 2017

Berichte

08.08.2017 | Von August 2017 bis Ende Januar 2018 darf ich als Fellow im Center for Advanced Internet Studies in Bochum (CAIS) mitarbeiten. Das Poster gibt einen Einblick in mein Projekt.

Berichte

23.07.2017 | Gast-Herausgeber dieser Ausgabe: Hermann Rotermund und Christian Herzog. Die Online-Version ist jetzt erschienen, auch eine Print-Version ist erhältlich.

Hinweise

21.07.2017 | Der israelische Militärhistoriker Martin van Creveld hat einen Roman geschrieben: Hitler in Hell, unter anderem als Kindle erhältlich. Dieser Hitler sitzt in der Hölle, die ihn so langweilt wie vordem das Gefängnis in Landsberg am Lech. Wieder schreibt er mit Unterstützung durch Rudolf Hess seine Weltsicht auf. Da es in der Hölle nun auch Breitband-Anschlüsse gibt, hilft ihm das Black Internetz bei der Orientierung im aktuellen Weltgeschehen…

John Walker, vormaliger Gründer und Chef von Autodesk (bekannt durch die Konstruktions-Software Autocad), der seit vielen Jahren in der Schweiz lebt und seinen persönlichen Interessen nachgeht, rezensiert van Crevelds Buch in seinem Blog. Die höllische Internet-Variante kommentiert er so: „My own personal idea of Hell would be an Internet connection which only allows you to read Wikipedia.“ Das ist zweideutig. Für mich jedenfalls wäre ein ausschließlich aus der Wikipedia bestehendes Internet die Hölle.

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28.06.2017 | Stellungnahme zu einem Referentenentwurf vom 17.05.2017, der für die Beratungen zur nächsten Novelle des Rundfunkstaatsvertrags den Telemedienauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks neu definiert. Anders als z. B. von Leonard Dobusch behauptet, ist eine Lockerung des Zwangs zum Sendungsbezug von Online-Medien oder eine Vereinfachung der Prüfverfahren zu Telemedienkonzepten (Dreistufentests) im Entwurf nicht zu finden. Statt dessen gefällt er sich im Auftürmen sprachlicher Ungeheuerlichkeiten (z. B. gibt es eine dreifach mit dem Wort „überwiegend“ verschachtelte Bedingungskette) und bietet an anderen Stellen bloße Formulierungs-Retuschen ohne Substanz.

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