Das andere l”uft so weiter

Ein Portr”t Helmut Heiþenb¸ttels mit 13 Bruchst¸cken aus einem Gespr”ch am 2. M”rz 1984 in Borsfleth

Von Hermann Rotermund

 


Heiþenb¸ttel O-Ton (1 ‚ 1:35)

es f”llt mir schwer

obwohl doch Birken leuchten goldener

es f”llt mir schwer

die Winterwinde steuern quer

es f”llt mir schwer

was ist wird werden nimmermehr

es f”llt mir schwer

des Jahres Ende lastet sehr

es f”llt mir schwer

ich noch doch was Erwartender

es f”llt mir schwer

entfernt zwar dem Verkehr

es f”llt mir schwer

was wird wird ungef”hr

es f”llt mir schwer

der kahle Wald auch kaum Gew”hr

es f”llt mir schwer

in Hierseins Anzug Schlotternder

es f”llt mir schwer

ich Trauerarbeit Abarbeitender

es f”llt mir schwer

Trosts Vergewaltiger

es f”llt mir schwer

trostlos vor ¸berher

Sprecherin

Helmut Heiþenb¸ttel las dieses Gedicht im Juni 1983 in der Bremer ÑSchauburgì. Es scheint zun”chst ganz privat zu sein,  ein Stimmungsbild. Quer dazu stehen einige formale Merkmale: Neben der st”ndigen Wiederholung der ersten Zeile jedes Zeilenpaars die Anzahl dieser Paare, n”mlich dreizehn, und die r”tselhafte Reihenfolge der Sinneinheiten. ‚ Helmut Heiþenb¸ttel war von der Mitte der f¸nfziger Jahre an einer der wichtigsten experimentellen Autoren der deutschen Literatur, und er war ‚ unter anderem in seiner Rolle als Redakteur beim S¸ddeutschen Rundfunk ‚ ein bedeutender Literaturvermittler. Seine erste Gedichtver–ffentlichung erschien 1954 in einer Zeitschrift, und bereits 1955 erhielt er die erste Einladung zu einer Tagung der Gruppe 47. In einem 1984 aufgenommenen Gespr”ch berichtet er dar¸ber:

Heiþenb¸ttel O-Ton (2 ‚ 0:58)

Das war f¸r mich sozusagen die erste Begegnung mit Literatur ¸berhaupt, also mit lebendiger Literatur. Die entsprach ¸berhaupt nicht dem, was ich mir selber unter Literatur vorstellte. In einer Weise war ich in der Zeit von der kritischen Seite her viel rigoroser als heute, ‚ also Ingeborg Bachmann, das war so eine Art Idol in der Zeit, und das war ¸berhaupt die st”rkste Entt”uschung, als ich dahin kam und die pers–nlich sah, daþ das irgend so ein ganz normales M”dchen, so wie Tausende von Studentinnen war, etwas albern und affektiert, aber ¸berhaupt nichts sonst. Was mich beeindruckt hat, war ”uþerlich: die fuhren alle mit Taxis und im Flugzeug, und ich dachte, die deutschen Schriftsteller m¸ssen also wahnsinnig viel Geld haben.

Sprecherin

Heiþenb¸ttel las auf der Tagung der Gruppe 47 sein Gedicht ÑIn Erwartung des roten Flecksì, das der sp”tere dtv-Verlagschef Heinz Friedrich damals das Entsetzlichste fand, das er jemals geh–rt hatte. Andere Teilnehmer, wie Alfred Andersch und Hans-Georg Brenner, wurden durch die Lesung auf Heiþenb¸ttel aufmerksam, und Georg Brenner vermittelte ihn Ende 1955 als Lektor an den Claassen-Verlag.

Heiþenb¸ttel O-Ton (3 ‚ 0:58)

Dieser Kontakt war f¸r mich zun”chst einfach die Literatur, die aktuelle, in der Bundesrepublik ‚ und zuf”llig kam dazu, daþ ich zur gleichen Zeit die Hochschule f¸r Gestaltung in Ulm kennenlernte, weil Leonhard mir den ersten Band Gomringer geschickt hatte und ich mit Gomringer dann Briefe gewechselt hatte und ¸brigens auch mit Claus Bremer ‚ das war der andere, der mich interessierte. Ich bin auf die Ñfragmenteì aufmerksam geworden und hab mir dann in der Buchhandlung den Band ÑPoesieì von Claus Bremer bestellt, der mich schon, w¸rde ich heute sagen, in manchen Dingen entschieden beeinfluþt hat. Und wo sich auch heute noch, w¸rde ich sagen, was gehalten hat davon.

Sprecherin

Eugen Gomringer ver–ffentlichte in der 1955 von Max Bense gegr¸ndeten Zeitschrift  Ñaugenblickì sein Manifest der Konkreten Poesie ‚ Ñvom vers zur konstellationì. Heiþenb¸ttels erster 1956 ver–ffentlichter Gedichtband hieþ Ñkombinationenì. Schon dieses Vokabular legt nahe, worum es den experimentellen Autoren jener Jahre ging: um logisch konstruierte Sprachbearbeitungen und Sprachspiele, die sich vom hergebrachten Formenkanon der Literatur v–llig freizumachen versuchten.

Heiþenb¸ttel O-Ton (4 ‚ 0:28)

Mit Gomringer lief das immer so weiter ‚ und es lief eben auf der einen Seite mit Gomringer, auf der anderen Seite mit der Gruppe 47. Ich bin auf derselben Tagung mit Grass dahin gekommen, wir waren also beide ohne Geld und ohne was hinter uns und das hat auch in einer Weise ergeben, was sich so als Kumpelei bezeichnen l”þt, das hat sich auch bis heute erhalten.

Sprecherin

So sehr in der zweiten H”lfte der f¸nfziger Jahre die literarischen Richtungen selbst innerhalb der Gruppe 47 auseinanderstrebten, es gab doch ein einigendes Band, die Opposition zu den als restaurativ wahrgenommenen politisch-kulturellen Verh”ltnissen im CDU-Staat.

Heiþenb¸ttel O-Ton (5 ‚ 1:14)

Politisch war es in der Zeit so, daþ ich ¸berzeugt war, daþ man gegen diese ganze Adenauer-Geschichte nichts machen kann und daþ es das Beste ist, sich vollkommen zu isolieren ‚ Ñohne michì. Wenn ich das jetzt r¸ckw”rts ¸berlege, w¸rde ich sagen: Dieser ÑOhne-mich-Standpunktì wurde in den Anfangsjahren, also in den f¸nfziger Jahren auf jeden Fall politisch f¸r mich am ehesten von der Gruppe 47 best”tigt. Von dem war auch damals zum Beispiel Heinrich B–ll nicht so weit entfernt. Und B–ll war in der Zeit so eine stehende Figur, und G¸nter Eich wurde das ja noch mehr, den ich ja als Person sehr verehrt habe, w”hrend mit den H–rspielen ging es immer so hin und her: Bei den ÑTr”umenì damals ‚ die fand ich sehr gut, und dann gab es wieder was, was ich nicht so fand ‚ aber es war f¸r mich eine Figur, das war damals von der ”lteren Generation eigentlich f¸r mich die entscheidende Figur.

Sprecherin

Eine Wende in Heiþenb¸ttels Leben ergab sich durch die Begegnung mit Alfred Andersch, dessen literarisches Werk Heiþenb¸ttel keineswegs begeisterte.

Heiþenb¸ttel O-Ton (6 ‚ 0: 47)

Andersch als Autor habe ich zuerst kennengelernt durch die Reihe ÑStudio Frankfurtì und dann durch sein erstes Buch ÑKirschen der Freiheitì. Meine damalige Reaktion war, da ist wieder eine Chance verhauen worden, das ist ja im Grunde doch am Rande des Kitschs geschrieben. Das habe ich nachher revidiert, aber nie ganz. Aber es war dann gerade auch die Vermittlerrolle, im Studio Frankfurt, wo Andersch einer der Leute war, die was neu vorgestellt haben, was f¸r mich interessant war. Nachtr”glich habe ich seine Rolle im ÑRufì realisiert. In der Zeit hatte ich nicht darauf geachtet, wer das rausgibt und so.

Sprecherin

Alfred Andersch war seit 1954 Leiter der Redaktion ÑRadio-Essayì beim S¸ddeutschen Rundfunk in Stuttgart. Sein Assistent war Hans Magnus Enzensberger, der sich jedoch Ende 1956 mit Andersch ¸berworfen hatte und den Sender verlassen wollte.

Heiþenb¸ttel O-Ton (7 ‚ 1:23)

Ich bin dann aber auch 1956 noch mit Bense zusammengekommen. Das muþ von M¸nchen aus gewesen sein, wo wir in Urlaub waren. Und da kam Andersch dazu. Ich hatte auf der R¸ckfahrt von der Gruppe 47 meinen ersten Text ¸ber die Gruppe 47 gemacht. Ðber den war Frau Andersch dann besonders begeistert und sagte, daþ sie das doch sofort in ÑTexte und Zeichenì drucken sollten. Ist ja dann auch da gedruckt worden. Und Bense sagte dann, das h”tte er auch f¸r den Ñaugenblickì nat¸rlich gerne gehabt. F¸r mich war das so eine Zwischenlage. Meine Sympathie war eigentlich mehr bei Bense und beim Ñaugenblickì. Dazu muþ ich auch noch sagen, ich hatte ÑTexte und Zeichenì gesehen und hatte was geschickt und hatte das mit vorgedrucktem Schemabrief zur¸ckgekriegt. Das hab ich Andersch dann auch gesagt, das war ihm etwas peinlich, und er fragte mich eben dann bei Bense in der Wohnung, ob ich unter Umst”nden auch Funk machen w¸rde. Ich hab gesagt, ich mach alles, wenn ich nur da bei Claassen wegkomme, das kann ich nicht mehr aushalten. Das f¸hrte zu dem Angebot, am 1. April 1957 nach Stuttgart zu kommen.

Sprecherin

Alfred Andersch verfolgte damals die Absicht, sich schrittweise aus seiner Position zur¸ckzuziehen und suchte nicht nur einen Assistenten, sondern eigentlich einen Nachfolger.

Heiþenb¸ttel O-Ton (8 ‚ 2:20)

Bei Andersch war es immer so, daþ er eine Mischung von Prominenz und noch nicht bekannten Namen wollte. Die weniger bekannten waren aber eigentlich pers–nliche Vorlieben von ihm, manche auch von der Sache her, aber ich w¸rde sagen, das Pers–nliche ¸berwog bei ihm, das pers–nliche Verh”ltnis. Bei pers–nlichen Beurteilungen spielte Frau Andersch auch immer eine Rolle. Wenn sie jemanden nett fand, dann ging es leichter. Sonst hatte Andersch eben so ein paar Ideen, das eine war eben Koeppen, das andere war Schmidt. Aber auch Bense hat er miteingesetzt. Dann hat er Friedrich Heer in Wien und Adorno mit nachgezogen. Obwohl, die Verhandlungen mit Adorno habe alle ich gef¸hrt. Ich bin auch noch 1957 in Frankfurt gewesen. Habe Adorno besucht im Institut, und der stand am Fenster. Der hatte diese, was man so in B¸chern liest, diese Uberraschungsmomente, guckte aus den Fenster und drehte sich dann pl–tzlich um, so daþ man ihn nur so im Umriþ sehen konnte, und sagte dann irgendwas Uberraschendes. In diesem Fall sagte er: Ich muþ ¸brigens jetzt bestimmten, wer den Goethe-Preis kriegen soll in diesem Jahr. Machen Sie mal einen Vorschlag. Dann habe ich einen Augenblick ¸berlegt und gesagt: Warum schlagen Sie nicht Alfred Andersch vor? Das war viel zu ¸berraschend f¸r Adorno und viel zu riskant f¸r ihn. Das war irgendwo abgesichert und abgedeckt. Ich kann mich nicht erinnern, daþ Andersch dann selber noch Adorno getroffen hat ‚ da spielte dieser Bildungskomplex, den er hatte, eine gewissen Rolle, weil er nicht sicher genug war. Dann ¸berlieþ er mir das lieber, weil er die Idee hatte, daþ ich mich da philosophischer unterhalten k–nnte mit Adorno. Was aber im Gespr”ch bei Adorno keine Rolle spielte. Adorno war ja nun selbst fachphilosophisch nicht so besonders beschlagen, das waren mehr Zitatgeb”ude, die ihm andere rausgesucht hatten.

Sprecherin

Als Helmut Heiþenb¸ttel dann ab Fr¸hjahr 1958 die Redaktion allein leitete, f¸hrte er Autoren an den Rundfunk heran, die keineswegs zu den abgesicherten und prominenten Kulturfaktoren geh–rten, sondern experimentelles Neuland begingen.

Heiþenb¸ttel O-Ton (9 ‚ 0:41)

Ich hab die alle versucht miteinzubeziehen, und das lief nicht regelm”þig, aber doch so allm”hlich lief das an mit Harig zum Beispiel, mit Jandl, den ich aber zu der Zeit noch gar nicht kannte, mit Mon war es anfangs sehr schwierig. Aber wir haben ja eine groþe Sendung gemacht ¸ber akustische Poesie mit Beteiligung von allen m–glichen Leuten, die Mon zusammen gestellt hat, die ganz zu Anfang der sechziger Jahre schon gelaufen ist. Das war damals ein Unikum, ein v–lliges Unikum.

Sprecherin

Neben seiner Rundfunkarbeit ver–ffentlichte Heiþenb¸ttel weiterhin eigene Gedichte und Texte. Etliche von ihnen beeindruckten oder verst–rten ‚ je nach Standpunkt ‚ ihre Leser durch die Kombination von formalen Prinzipien durch die Wahl ihres Sprachmaterials. Es handelte sich h”ufig um Collagen von Zitaten aus dem politischen oder kulturellen Themenbereich. Das Untergangsszenario von ÑDeutschland 1944ì z”hlt zu den bekanntesten Beispielen.

Heiþenb¸ttel O-Ton (10 ‚ 0:32)

Wobei auch das mit den Texten in Umlauf gekommen ist ‚ es gab so einen Schlag, wo das Wort Text pl–tzlich da war; Bense hat es benutzt, 1960 in Aschaffenburg sprachen pl–tzlich die Kritiker nur noch von Texten. Das war v–llig unerkl”rlich, weil die ein solches Wort vorher gar nicht verwendet hatten. Und mein Titel ist eigentlich gar nicht von mir erfunden worden, sondern von Andersch, weil Andersch mir eines Tages damals sagte, wenn Sie sowas machen, warum sagen Sie nicht bloþ einfach ÑTextbuchì.

Sprecherin

Heiþenb¸ttel vermied in seinen Texten nicht nur den R¸ckgriff auf ¸berkommene Formprinzipien, indem er sie nach jeweils durchschaubaren, logisch nachvollziehbaren Konstruktionen zusammensetzte ‚ er baute auch die Rolle des Autors ab, indem er das Konstruieren dann einem Kalk¸l ¸berlieþ. Da er nicht ¸ber entsprechende Apparate verf¸gte, beispielsweise einen Elektronenrechner, griff er zu Spielkarten und W¸rfeln.

Heiþenb¸ttel O-Ton (11 ‚ 1:02)

Die sind alle so entstanden, und das geht auch weiter zur¸ck noch, das kam auch mit Bense. Die Frage der Kybernetik, des Einflusses der Kybernetik auf Literatur bedeutete ja auch, daþ man mit bestimmten Problemen sich besch”ftigte, zum Beispiel mit dem Problem Zufall. In der Zeit kannte ich ja schon zum Beispiel Musik von Cage, da gabs dieses Retrospektivkonzert 1958, was in einer Schallplatten-Kassette war, da stand eben im Textheft drin, daþ Cage ein Blatt Papier hingelegt hat, und die Fliegen haben drauf geschissen und dann hat er Linien durchgezogen, und das war die Komposition. Dar¸ber habe ich mir Gedanken gemacht, und vom Wort aleatorisch her war immer die Frage mit den W¸rfeln da. Das hab ich durchprobiert, und ich bin seit dem Krieg ein kontinuierlicher W¸rfler.

Sprecherin

Helmut Heiþenb¸ttel hat ¸ber zwei Jahrzehnte hinweg seine Texte durch Textgeneratoren herstellen lassen, also durch festgelegte Zuordnungen und Regeln, die er dann im Verlauf von Zufallsoperationen wie dem Mischen und Auslegen von Spielkarten einhielt.

Heiþenb¸ttel O-Ton (12 ‚ 1:05)

Und ich hatte ein Patiencespiel, so ein volles, mit 104 Karten, und hab dabei festgestellt, daþ die Verteilungsdichte, wenn man neu mischt, ziemlich gleichm”þig ist. Und dann hab ich allm”hlich eine Methode entwickelt, ich habe die Texte gesammelt, habe sie numeriert und habe ein Schema aufgeschrieben mit den Patiencekarten und habe die Textteile, manchmal zuf”llig, manchmal gleichm”þig darauf verteilt, dann gemischt und nach dem Auslegen das durcheinandergemacht.

(Ö) Das hab ich im einzelnen versucht vorher schon, das gilt systematisch dann f¸r das gesamte ÑTextbuch 6ì, das ist vollkommen so entstanden, wobei zum Beispiel die Einzelst¸cke im ÑTextbuch 6ì so einen Kern haben, bei ÑDeutschland 1944ì ist es der l”ngere Teil Wehrmachtsbericht.

Sprecherin

Dieses Konstruktionsprinzip wurde auch bei l”ngeren Texten durchgehalten, so bei dem einzigen als ÑRomanì bezeichneten Text Heiþenb¸ttels ÑdíAlemberts Endeì, mit dessen Beginn er Marcel Reich-Ranicki provozieren wollte, der geschrieben hatte, ein Roman, der so beginne wie Goethes ÑWahlverwandtschaftenì, sei heute nicht mehr vorstellbar. ÑDíAlemberts Endeì beginnt: ÑEduard ‚ so nennen wir einen Rundfunkredakteur im besten Mannesalterì Ö

Heiþenb¸ttel O-Ton (13 ‚ 1:21)

Das hab ich dann in Groþkonstruktion angewandt bei Ñd'Alemberts Endeì. Das ist von den einzelnen Kapiteln und von der Kapitelfolge so entstanden. Am extremsten ist es in ÑDurchhauen des Kohlhauptsì; da ist es aber auch so, daþ ich die Ðbersicht verloren habe und daþ zum Beispiel ÑKrazykatz Bremenwoduì, das ist ja eine Aufplusterung des fr¸heren ÑBremenwoduì, das ein H–rspiel f¸r Herrn Otte in Bremen war, urspr¸nglich, f¸r die Tage der Neuen Musik, da sind die ¸bereinandergesprochenen Teile durch den Druck so durcheinandergekommen, daþ ich das nicht mehr hab rekonstruieren k–nnen. Als ich die Fahnen zum erstenmal gesehen habe, hab ich gedacht, ich krieg einen Schlaganfall, weil das so durcheinander war, daþ das ¸berhaupt nicht mehr zu entwirren war. Und dann hab ich es so gelassen. Es ist bis heute nicht ‚ es ist eigentlich falsch, wie es da gedruckt ist. Danach habe ich das wieder aufgegeben, und was dann ¸briggeblieben ist, war die Fixierung auf die Zahl 13.

Sprecherin

Mit Bremen verband Heiþenb¸ttel eine wechselvolle Geschichte. Er realisierte 1974 mit Hans Otte das schon erw”hnte H–rspiel ÑKrazykatz Bremenwoduì, und er wurde 1983 in die Jury des Bremer Literaturpreises eingeworben, die er allerdings zwei Jahre sp”ter verstimmt wieder verlieþ. Im Jahre 1984 setzte er in dieser Jury durch, daþ Paul W¸hr f¸r sein fast 1000 Seiten starkes Groþwerk ÑDas falsche Buchì den Bremer Literaturpreis bekam ‚ was viele Kommentatoren damals irritierte. Heiþenb¸ttels Begr¸ndung bleibt allerdings nicht bei der formalen Konstruktion dieses Buchs, das eine Gradwanderung zwischen Redesprache und Schriftsprache vornimmt, stehen.

Heiþenb¸ttel O-Ton (14 ‚ 3:04)

Das ist so ein Projekt, wo eben alles hineinpaþt, wo man sagen kann, da ist mal so eine Summe gezogen worden, da ist der Versuch gemacht worden. Ich meine, wenn man kritisch ist, l”þt sich da und dort vielleicht auch was finden, wo man anhaken kann. Das spielt aber im Grunde keine Rolle. Sondern ich glaube, daþ er im Lauf der Jahre, in denen er daran gearbeitet hat, wirklich etwas Beispielhaftes zustandegebracht hat. Und ich w¸rde es eigentlich parallel sehen zu dem viel fr¸heren Ñherzzeroì von Franz Mon. Und das ist ja ¸berhaupt nicht in dem Sinne wahrgenommen worden, aber Ñherzzeroì war f¸r mich auch eine Summe und immer, wenn ich darin wieder lese, sehe ich, das h”lt f¸r mich stand. Auch da gibt es vielleicht einen kritischen Gesichtspunkt. Das ist dies etwas Rauhe, was Franz Mon manchmal hat, dies sehr Direkte, ich kanns jetzt gar nicht anders ausdr¸cken. Aber das spielt keine Rolle. Das ist sechziger Jahre, f¸nfziger und sechziger Jahre, das steckt da alles drin. Mit R¸ckblicken weiter zur¸ck. Und leider, das ist eine generelle Kritik an der Kritik heute, daþ eben Dinge wie ÑBlechtrommelì, ÑDeutschstundeì oder sowas an der obersten Spitze der Skala stehn, obwohl man auch sagen kann, der ÑButtì ist auch eine Summe in gewisser Weise. Aber es ist viel zu viel Pseudo drin. Im herk–mmlichen Sinne w¸rde ich sagen, ist der ÑButtì einfach ein falsches Buch gewesen. Und das ÑFalsche Buchì ist ein richtiges Buch. Daþ dieser Gesichtspunkt ‚ das braucht nicht viel zu sein, das braucht ja nur ein wenig zu sein ‚ nicht beachtet wird, das ist mein Einwand gegen die Kritik; und daþ ich von daher gesehen die Unbildung der Kritik feststellen muþ. Wenn man das jetzt von dem Auþenpunkt her ansieht, w¸rde ich sagen, die ÑSpielregelì von Leiris ist f¸r mich auch so eine Summe, und ich hab ja gedacht, wenn man das nur gen¸gend propagiert, weil das ja jetzt ein alter Mann ist, und weil das von Frankreich kommt, wird das eher akzeptiert. Aber ich sehe, daþ das auch so durchrauscht, und kein Mensch achtet drauf. Weil ‚ das, w¸rde ich sagen, w”re auch so ein Maþstab. Und aus solchen Dingen erst k–nnte man eine Art Maþstab entwickeln, meiner Ansicht nach. Aber wahrscheinlich ist es in den Wind geredet und ich mach das noch weiter, solange ich lebe und solange mein Verstand das noch mitmacht. Das andere l”uft so weiter.

Sprecherin

Helmut Heiþenb¸ttel w”re am 21. Juni 80 Jahre alt geworden. Er starb am 19. September 1996.