Digitalradio: Wen erreicht es? Wen kümmert es?

Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) beklagt sich in ihrem 20. Bericht darüber, dass sie sich angesichts des allseitigen Versagens aller anderen Akteure in Politik und Sendern zur Perspektive des Digitalradios äußern muss. Sie überschreitet damit in der Tat die Grenzen ihres Auftrags, der sich im wesentlichen auf die Prüfung tatsächlicher Vorlagen bezieht. Sie tut jedoch gut daran, einige Eckdaten zu formulieren:

Die Kommission erwartet, dass mit den Anmeldungen von ARD und Deutschlandradio zum 22. Bericht im Frühjahr 2019 die folgenden Meilensteine erreicht worden sind:
• Bund und Länder haben eine Entscheidung über ein Konzept zur Abschaltung von UKW getroffen. 

• Die Marktpartner haben sich auf eine Methodik zur Ermittlung der DAB+-Nutzung geeinigt und die Nutzungszahlen werden publiziert. 

• Bedeutende Automobilhersteller bieten DAB+-Radios als Serienausstattung an. 

• Mindestens 27 % aller Haushalte besitzen ein DAB+-Empfangsgerät

Innerhalb von drei Jahren werden sich diese Ziele kaum erreichen lassen. Wenn momentan ca. 10 Prozent der deutschen Haushalte über ein DAB+-Empfangsgerät verfügen, wodurch sollte eine annähernde Verdreifachung erreicht werden? Jeder Blick in die Radio-Regale der Technikmärkte zeigt, dass diese Geräte immer noch unattraktiv und zu teuer sind, bei nicht erkennbarem Mehrwert gegenüber einem UKW-Radio. DAB+-Radios sind meistens Hybrid-Empfänger, die auch UKW beherrschen. Kaum teurer sind Kombigeräte, die auch als Internet-Radios im häuslichen WLAN funktionieren. Der Mehrwert dieser Geräte ist offenkundig: Zigtausende Radiostationen können empfangen werden, Musikdienste wie Spotify können abgerufen werden, das Smartphone kann angeschlossen werden. Bei dieser Geräteklasse ist das Radio in der Jetztzeit angekommen. DAB+ hingegen ist eine Phantasie aus der Vergangenheit, die als untoter Fliegender Holländer durch den Äther segelt.

Die Medienforschung begann Ende der zwanziger Jahre bekanntlich damit, dass statt der verkauften Radiogeräte die Einschaltzeiten für verschiedene Sender ermittelt wurden. Wie schwer es heute noch ist, Nutzungszahlen zu ermitteln, zeigt die von der Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten beauftragte Studie. In der am 4.12.2014 veröffentlichten Ausschreibung wurde eine Erhebung gefordert:

  • die den Anbietern von bundesweiten Digitalradioprogrammen erstmals Auskunft über die nationale Hörer‐Reichweite gibt,
  • die qualitative Informationen über das Nutzungsverhalten von Radio in DAB+‐Haushalten liefert,
  • die den privaten Digitalradioprogrammen repräsentative Reichweitendaten zur Werbevermarktung liefert.

Insbesondere der Mehrwert der DAB+-Nutzung gegenüber der UKW-Nutzung sollte herausgearbeitet werden. Die Ergebnisse sind jedoch äußerst dürftig. Das beauftragte Unternehmen (ifak) ermittelte die Nutzungsweise von Radio in fast 1300 Haushalten, die über mindestens ein DAB+-Gerät verfügen. Es gelang ihm allerdings nicht einmal, bei den ermittelten Nutzungsweisen zwischen DAB-+Empfang und Internetradio-Empfang zu unterscheiden. Es bleibt also weiterhin viel Raum für die üblichen Behauptungen der Relevanz von DAB+ für die Zukunft des Hörfunks. Konkrete Zahlen könnten da vielleicht nur schaden.

Welchen Empfangsweg wählen 1Live-Hörer wohl tatsächlich: DAB+ oder Internet?

Quelle: ifak/Die Medienanstalten