ARD-Audiothek

12.02.2018 | Die ARD-Audiothek-App hat das Potenzial, das zu zeigen, was vom Radio bleibt, wenn das System der linearen Programme zusammenbricht. Sie steckt allerdings noch in den Anfängen und hat viele u. a. durch den ARD-Verbund verursachte Kinderkrankheiten. Außerdem, und das wäre wohl das Wichtigste, muss sie nicht nur funktional, sondern auch rechtlich nach und nach von der Rolle eines bloßen Annex zum linearen Hörfunkprogramm befreit werden.

Fragwürdige und unübersichtliche Benutzeroberfläche – „Themen“, die in Wirklichkeit Sendreihen sind – „Sendungen“, die in Wirklichkeit redaktionelle Sendeplätze sind

In meinem Beitrag „Großes Potenzial. ARD-Audiothek aus Nutzersicht“ in epd-medien 06/2018 vom 09.02.2018 habe ich unter anderem diese acht Kritikpunkte dargestellt:

  1. Die Audiothek sollte als zentrales Programmangebot der ARD-Kultur- und Informationsredaktionen verstanden und auch so behandelt werden. Das bedeutet vor allem die Austattung mit einer Redaktion, die über die Qualifikationen und die zahlenmäßige Stärke einer Hörfunk-Kulturwelle verfügt. Die Audiothek hat das Potential, mit ihrer Nutzung die Reichweite jeder linearen wortorientierten Welle hinter sich zu lassen. Gerade deshalb benötigt sie die sorgfältige Einordnung, Präsentation und Kommentierung ihrer Angebote. Der automatisierte Rückgriff auf zufällig Vorhandenes, zum Beispiel Textbausteine aus dem Programm-Marketing, entwertet letztlich das Angebot.
  2. Zu den Aufgaben einer Redaktion zählt auch der ständige Dialog mit den Nutzern. Momentan bietet die Audiothek keinerlei Interaktionsmöglichkeiten an, was auch Autoren und die Redakteure in den beteiligten Anstalten schmerzen müsste.
  3. Die Nomenklatur der Angebots-Ebenen sollte komplett überarbeitet werden. Die „Episoden“ der Audiothek sind keine Episoden, die „Themen“ keine Themen, die „Sendungen“ keine Sendungen. Es ist sicher nicht einfach, schlagkräftige und allseits verständliche Benennungen für die einzelnen Kategorien zu finden. Die bisherigen Lösungen jedenfalls sind nur – seltsam. Das Know-how der vielen klugen Archivare in den Landesrundfunkanstalten könnte hier vielleicht helfen.
  4. Die Autoren und Beteiligten der einzelnen Elemente/Beiträge sollten in den Beschreibungen auftauchen. Momentan gibt es nicht einmal bei Hörspielen und Features Autorenangaben.
  5. Eins der wichtigsten Merkmale jedes Beitrags wird den Nutzern ebenfalls vorenthalten: die Verweildauer. Absurderweise taucht ein Hinweis auf die Verweildauer erst dann auf, wenn ein Beitrag aus dem Angebot herausgenommen wurde, jedoch noch in einer Liste enthalten ist. Nutzer dürfen erwarten, dass jeder Beitrag mit einem Verfügbarkeitszeitraum oder -datum gekennzeichnet wird. Das könnte auch die medienpolitische Sensibilität der Hörer und die Unterstützung zur Schleifung des Verweildauerkonzepts erhöhen.
  6. Ganz unverständlich und dringend revisionsbedürftig ist die Entscheidung, in der Audiothek die Livestreams der in ihr vertretenen Wellen nicht anzubieten. So schön es ist, dass ARD und Deutschlandradio ihre Streams bei sämtlichen Aggregatoren verfügbar machen, am sinnvollsten ist dies doch im eigenen Angebot. Hinter der Entscheidung lässt sich nur der schon erwähnte regionale Eigensinn vermuten. In diesem Fall stehen nicht nur die Interessen der Nutzer, sondern auch die erzielbaren Reichweiten auf dem Spiel. Sinnvoll wäre die Kombination der Livestreams mit dem Listing des jeweiligen Tagesprogramms und einer mehrtägigen Vorschau.
  7. Die schon erwähnte Problematik der fehlenden Hörspielangebote könnte durch redaktionelle Anstrengungen zumindest gemildert werden. In der Hörspielrubrik der Audiothek sollten alle tagesaktuellen Hörspiele mit Links zu den Programmtexten und den Livestreams aufgeführt werden, auch und gerade wenn sie anschließend nicht in der Audiothek erscheinen.
  8. Obwohl Smartphones die meistgenutzten Internet-Geräte sind, sind Tablet- und Desktop-Versionen der App natürlich wünschenswert. Diese Gerätekategorien ermöglichen eine bequemere Navigation und können mindestens ebenso leicht mit heimischen Audioanlagen verbunden werden.