IRT wird geschlossen

01.09.2020 | Gespräch mit Wolfram Wessels (SWR 2 Dokublog) über die Schließung des Instituts für Rundfunktechnik (IRT)

Zum Hintergrund des Gesprächs:

Das IRT ist in eine Reihe von Skandalen und Gerichtsverfahren hineingerutscht, bei denen es um die Lizenzgebühren für weitweit eingesetzte Patente geht. Die Lizenzen wurden schon vor Jahrzehnten dummerweise pauschal abgetreten, statt dem Institut eine prozentuale Beteiligung zu sichern. Einige Probleme sind nun bereinigt, andere bleiben vermutlich ungeklärt. Gesellschafter des IRT sind die deutschen, österreichischen und schweizerischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Diese Rundfunkanstalten verfügen über Aufsichtsgremien, die ihr wirtschaftliches Handeln überwachen sollen.

Die Geschäftspolitik des IRT war offenbar bei den Gesellschaftern nie ein Thema. Ende 2019 verkündete das ZDF seinen Ausstieg aus dem Gesellschaftervertrag. Statt das Managementverhalten des IRT und das Kontrollversagen der Gesellschafter selbstkritisch zu thematisieren (in den Verwaltungsräten zum Beispiel), verkünden nun auch die anderen Gesellschafter ihren Ausstieg, ohne ein Fortsetzungsmodell ins Auge zu fassen.

Themen der (vor zwei Jahren noch) 148 Mitarbeiter des IRT sind: Audio und Video der nächsten Generation, 5G Broadcast, drahtlose Produktionstechniken, crossmediale Produktionstechniken, Metadaten in Produktion und Archiven und einige mehr. Das sind alles Themen, die weit über den klassischen »Rundfunk« hinausweisen.

Das IRT vertritt ferner die deutschen Interessen und die ihrer Gesellschafter in internationalen Gremien, wenn es um technische Standardisierungen geht. Es berät auch die Politik, zum Beispiel bei der Abstimmung über die Nutzung von Frequenzbereichen.

Sascha Molina, NDR-Produktionsdirektor, teilte im Sommer 2020 in einem Interview mit: Das IRT wird nicht mehr benötigt, Rundfunktechnik hat sich erledigt, IT-Technik kann man überall auf dem Markt kaufen. Eine interessante Argumentation. Übertragen auf die aktuelle Forschungssituation zu einem Corona-Impfstoff ginge das so: Es gibt in Deutschland mehrere Impfstoff-Projekte. Diese Forschung kann eingestellt werden, weil es ja in der Welt 170 solcher Projekte gibt und Deutschland sich den Impfstoff auf dem internationalen Markt besorgen kann.

Der Gesellschaftervertrag des IRT sagt: »Zweck der Gesellschaft ist, der Allgemeinheit durch Förderung des europäischen Rundfunkwesens und der europäischen Rundfunktechnik zu dienen.«

Die Frage sollte also lauten: Welchen Wert hat das IRT für die Entwicklung des europäischen Rundfunkwesens, für die Transformation des Rundfunks zu einem Onlinemedium und letztlich für die Gesellschaft. Um diesen Public Value des IRT geht es.

Die Gesetzgeber sind nicht auf die Idee gekommen – auch nicht beim ähnlich bedrohten Deutschen Rundfunkarchiv –, diese einzigartige Institution direkt aus dem Rundfunkbeitrag zu finanzieren. Das geschieht beispielsweise bei den Landesmedienanstalten oder dem Beitragsservice. Eine direkte Finanzierung aus dem Beitrag hätte mit dem Auftrag verbunden werden können, im Interesse aller deutschen Rundfunkunternehmen, auch der privaten, zu agieren. Die neoliberalen Anwandlungen des NDR, WDR und ZDF – das Institut brauchen wir nicht, die Leistungen können wir auf dem Markt einkaufen – wären dann ins Leere gelaufen.