Die zweitägige Konferenz beschäftigte sich mit vielen Perspektiven und Möglichkeiten der Verwertung von audio-visuellen Archivinhalten. Der Begriff curation hatte hier sicher einen seiner letzten Auftritte im Programm einer solchen Konferenz; in vielen Beiträgen wurde sein Sinn angezweifelt. (Dazu wurde mehrfach auch Tokumitsu zitiert.) Die besten Beispiele – z. B. das des irischen Radioarchivs – zeigten, dass klassische redaktionelle Strategien publizierender Archive erfolgversprechend sind.

Es ging vor allem um Publikumskanäle, neben dem Archivradio um narrativ aufbereitete Sammlungen, Player, Filme und TV-Serien. Die Bedürfnisse von Forschern, die an speziellen Aspekten von Archivmaterialien und an entsprechend aufbereiteten Metadaten interessiert sind, kamen auf der Konferenz kaum zur Sprache. Schön war die Formel des minimum viable cataloging, mit dem die Archivare des Public Broadcasting Systems der USA die Begrenzung auf 15 Minuten für die Erstellung eines Katalogeintrags rechtfertigen. – Der Begriff hat eine Geschichte in der Diskussion unter Archivaren: [1] [2]

Die gastgebende Institution, das staatliche audiovisuelle Institut Polens, betreibt eine Website, die unter anderem durch eine Konzert-Rubrik mit vielen Aufnahmen polnischer Komponisten (wie Górecki, Lutosławski, Penderecki) beeindruckt. Kontroverse Diskussionen löste der Film aus, den das Museum des Warschauer Aufstands aus Archivmaterial produziert hat. Aus sechs Stunden Footage ist durch digitale Korrektur, Einfärbung und Vertonung (einschließlich Dialogen, die durch Lippenleser ermöglicht wurden) und ein Skript ein hollywoodeskes Monstrum entstanden, ein auf Fiktionen beruhender Dokumentarfilm.

Gallery Holocaust FOT. M.STAROWIEYSKA_D.GOLIK
Passage in der Holocaust-Abteilung des POLIN-Museums. Foto: M. Starowieyska, D. Golik.

Das Museum zur Geschichte der polnischen Juden (POLIN) war Kooperationspartner der Konferenz. Seine behutsame Mischung von passiven und interaktiven Erlebniseinheiten verdient Beachtung.

Kommentare

Die (teilweise öffentliche) Klausurtagung des WDR-Rundfunkrats in Detmold beschäftigte sich mit Thesen zum Perspektivwechsel im Hinblick auf den Auftrag und die Chancen der öffentlich-rechtlichen Medien. Textfassung des Vortrags hier: 151118 WDR-Rundfunkrat.

Ein Aspekt in der Diskussion war die Verjüngungsstrategie des WDR Fernsehens. Die 35- bis 55-Jährigen sind als „Eroberungsgruppe“ angepeilt, und das ausschließlich mit Veränderungen im Fernsehprogramm selbst. Aus jüngsten Studien geht allerdings hervor, dass gerade diese Gruppe die Online-Medien und vor allem die Online-Videonutzung für sich erobert. Ist also eine Fernsehstrategie ohne eine Online-Strategie überhaupt noch möglich?

Berichte

Seltsame Erfahrung. Nach einem Vortrag auf dem Film- und Medienforum Niedersachsen gestern abend bedrohte mich der Geschäftsführer eines großen Fernseh-Produktionsunternehmens mit Berufsverbot („Ich wende mich an Ihren Rektor, Ihnen muss man die Lehrerlaubnis entziehen.“). Für ihn bedeuteten die statistisch belegten Aussagen zur schwindenden Relevanz des Fernsehkonsums vor allem für jüngere Mediennutzer offenbar eine Kränkung. Die Fernsehwelt („Wir erleben gerade ein Allzeit-Hoch des Fernsehens“) koppelt sich – so wirkte es – von der uns bekannten Welt ab und bildet ein Parallel-Universum, das sich aggressiv gegen seinen drohenden Untergang sträubt (den zunehmenden Verfall der Manieren untergehender Zivilisationen hat übrigens Spengler schon beschrieben).

Kommentare

Die Darstellung der ARD/ZDF-Langzeitstudie Massenkommunikation überrascht mit einer Novität: Es gibt jetzt ein „mediales“ und ein „nicht-mediales“ Internet. Letzteres benennt die besonders persönlichen, aktiven und kommunikativen Nutzungsformen der Online- und Mobilmedien, die garantiert in der Aufmerksamkeitskonkurrenz dem Fernsehen überlegen sind, selbst wenn dieses gleichzeitig läuft. Als „medial“ werden die Online-Nutzungen anerkannt, bei denen es um die Rezeption von Inhalten geht, die so auch auf anderen Kanälen verbreitet werden können.

Nichtmediales Internet

Ich habe mir erlaubt, diese unüberlegte und unseriöse (gekränkte?) Darstellungsform zu korrigieren. Wenn der Gesichtspunkt die Nutzungszeit (Y-Achse) ist, dann lässt sich die besonders intensive Online-Nutzung eben nicht unter den Tisch (den Strich) kehren, sondern gehört neben die anderen Säulen. Wie wird denn bitteschön Fernsehen und Radio überwiegend genutzt? Meist doch als Hintergrundmedium oder zur vorübergehenden Bespaßung. Wenn hier inhaltsanalytisch herangegangen würde, müsste dem größten Teil dieser Mediennutzung das Beiwort „tagesaktuell“ entzogen werden.

nichtmedial

Kommentare

14.09.2015 | In Berlin kommen auf Einladung der European Broadcasting Union Wissenschaftsredakteure aus Europa, Japan und USA zusammen, um die durch den Medienwandel erzeugten veränderten Anforderungen an ihre Arbeit zu diskutieren. In einer Keynote – eine zweite wurde von einer Buzzfeed-Managerin gehalten – fasste ich einige allgemeine Erkenntnisse zum Strategiewandel öffentlich-rechtlicher Rundfunkmedien zusammen und fügte einige spezielle Beobachtungen z. B. zum Problem der Verständlichkeit seriöser journalistischer Inhalte hinzu. Die kommentierte Präsentation zeigt die Grundelemente der Argumentation.

Berichte

31.07.2015 | Das EU-geförderte Projekt Grundversorgung 2.0 an der Leuphana-Universität Lüneburg, als dessen „operativer Leiter“ ich Anfang 2013 hinzu-gecastet wurde, ist beendet. Seine Ergebnisse: Eine Vielzahl von akademischen Einzelveröffentlichungen, Vorträgen und Beratungsgesprächen auch im medienpolitischen Raum, ein Grimme-Online-Award, eine Social-Media-Applikation zur Beobachtung der politischen Kommunikation, eine Smartphone-App für mediendidaktische Zwecke. Wie immer in langjährigen Projekten gab es auch Ideen, die nicht zu Ende geführt werden konnten oder scheiterten. Gelungen waren mehrere Konferenzen, z. B. Neueste Nachrichten. Ansonsten kam in zweieinhalb Jahren Zusammenarbeit im Centre for Digital Cultures viel Stoff für einen Campus-Roman zusammen …

Kommentare

19.06.2015 | Das Videoteam des Projekts Grundversorgung 2.0 hat kurz vor dem Projektende eins seiner angestrebten Ziele erreicht: den Gewinn des Grimme-Online-Awards. Die Bilder zeigen das gesamte Team und Bastian Asdonk (Format-Guru und Kopf des Teams), Steffen Gottwald (für den Kooperationspartner Styleheads) sowie die Laudatorin Christine Urspruch aka Sams bzw. Alberich.

Hyperbole-Team

Grimme Online Award 2015

Die Jury bemerkt zum Projekt: … unbändige Experimentierfreude findet sich im preisgekrönten YouTube-Inkubator „Hyperbole TV“, der zeitgemäß politische und kulturelle Themen vermittelt und so auch eine mögliche Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erforscht. Die Jury fordert lautstark: mehr davon!

Berichte