Wie schwer sich öffentlich-rechtliche Medien damit tun, im Netz mitzuspielen, selbst wenn genügend Ressourcen und Einsichten vorhanden sind, zeigt das Schicksal zweier jetzt eingestellter Versuche.

Seit heute gibt es die von Radio Bremen produzierte Wochenwebschau nicht mehr. Sie war die Nachfolgerin der Tageswebschau, und beide kamen auf YouTube seit 29. Februar 2012, also in knapp drei Jahren, nur auf 4.839 Abonnenten und eine knappe Million Views. Mehr noch als die bestürzend niedrigen nackten Zahlen zeigen die Videos selbst, dass es den Veranstaltern, die dem jungen Publikum Reflexionen über die Online-Medien bieten wollten, nicht einmal gelungen ist, sich selbst das Web zu erklären. Auch wenn hochprofessionell daherschwadroniert wurde, konnte das nicht als authentisches Kommunikationsangebot an ein junges Publikum empfunden werden. Daher ist die seit langem fällige Einstellung dieses Versuchs nur zu begrüßen.

Ähnlich stellt sich die Situation des WDR-Channels #3sechzich dar. Auch er wird eingestellt und war in den 12 Monaten seines Bestehens zwar durchaus experimentierfreudig, dabei jedoch thematisch profillos und in seiner Format-Anmutung zu sehr klassisches Fernsehen mit all seinen redundanten Meta-Elementen: Logo, Trailer, Moderation usw.

Im Grunde ist zu hoffen und erwarten, dass auch das ZDF seinen Versuch, mit heute+ eine jugendkompatible Nachrichten-Show aufzuziehen, bald einstellen wird. Eine immer belehrende Tonalität, kombiniert mit animiertem Studiohintergrund und (beim männlichen Moderator) dem lässigen Heraushängenlassen des Hemdes über den Hosenbund: damit wird die ersehnte Bindung der jungen Generation an den öffentlich-rechtliche Qualitätsjournalismus garantiert nicht hergestellt.

Es gibt nicht nur negative Beispiele. Der aus Bremen stammende und dort als Radiomoderator und Stadionsprecher bekannte Arnd Zeigler zeigt mit seiner Sendung Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs die Richtung an, in die es gehen könnte. Bei dieser Fußballsendung, die durch Authentizität und alle Schattierungen von Humor glänzt, handelt es sich jedoch nicht um ein Jugendmagazin. Sie könnte jedoch auch ohne das Fernsehen funktionieren.

Kommentare

Die zweitägige Konferenz beschäftigte sich mit vielen Perspektiven und Möglichkeiten der Verwertung von audio-visuellen Archivinhalten. Der Begriff curation hatte hier sicher einen seiner letzten Auftritte im Programm einer solchen Konferenz; in vielen Beiträgen wurde sein Sinn angezweifelt. (Dazu wurde mehrfach auch Tokumitsu zitiert.) Die besten Beispiele – z. B. das des irischen Radioarchivs – zeigten, dass klassische redaktionelle Strategien publizierender Archive erfolgversprechend sind.

Es ging vor allem um Publikumskanäle, neben dem Archivradio um narrativ aufbereitete Sammlungen, Player, Filme und TV-Serien. Die Bedürfnisse von Forschern, die an speziellen Aspekten von Archivmaterialien und an entsprechend aufbereiteten Metadaten interessiert sind, kamen auf der Konferenz kaum zur Sprache. Schön war die Formel des minimum viable cataloging, mit dem die Archivare des Public Broadcasting Systems der USA die Begrenzung auf 15 Minuten für die Erstellung eines Katalogeintrags rechtfertigen. – Der Begriff hat eine Geschichte in der Diskussion unter Archivaren: [1] [2]

Die gastgebende Institution, das staatliche audiovisuelle Institut Polens, betreibt eine Website, die unter anderem durch eine Konzert-Rubrik mit vielen Aufnahmen polnischer Komponisten (wie Górecki, Lutosławski, Penderecki) beeindruckt. Kontroverse Diskussionen löste der Film aus, den das Museum des Warschauer Aufstands aus Archivmaterial produziert hat. Aus sechs Stunden Footage ist durch digitale Korrektur, Einfärbung und Vertonung (einschließlich Dialogen, die durch Lippenleser ermöglicht wurden) und ein Skript ein hollywoodeskes Monstrum entstanden, ein auf Fiktionen beruhender Dokumentarfilm.

Gallery Holocaust FOT. M.STAROWIEYSKA_D.GOLIK
Passage in der Holocaust-Abteilung des POLIN-Museums. Foto: M. Starowieyska, D. Golik.

Das Museum zur Geschichte der polnischen Juden (POLIN) war Kooperationspartner der Konferenz. Seine behutsame Mischung von passiven und interaktiven Erlebniseinheiten verdient Beachtung.

Kommentare

Seltsame Erfahrung. Nach einem Vortrag auf dem Film- und Medienforum Niedersachsen gestern abend bedrohte mich der Geschäftsführer eines großen Fernseh-Produktionsunternehmens mit Berufsverbot („Ich wende mich an Ihren Rektor, Ihnen muss man die Lehrerlaubnis entziehen.“). Für ihn bedeuteten die statistisch belegten Aussagen zur schwindenden Relevanz des Fernsehkonsums vor allem für jüngere Mediennutzer offenbar eine Kränkung. Die Fernsehwelt („Wir erleben gerade ein Allzeit-Hoch des Fernsehens“) koppelt sich – so wirkte es – von der uns bekannten Welt ab und bildet ein Parallel-Universum, das sich aggressiv gegen seinen drohenden Untergang sträubt (den zunehmenden Verfall der Manieren untergehender Zivilisationen hat übrigens Spengler schon beschrieben).

Kommentare

Die Darstellung der ARD/ZDF-Langzeitstudie Massenkommunikation überrascht mit einer Novität: Es gibt jetzt ein „mediales“ und ein „nicht-mediales“ Internet. Letzteres benennt die besonders persönlichen, aktiven und kommunikativen Nutzungsformen der Online- und Mobilmedien, die garantiert in der Aufmerksamkeitskonkurrenz dem Fernsehen überlegen sind, selbst wenn dieses gleichzeitig läuft. Als „medial“ werden die Online-Nutzungen anerkannt, bei denen es um die Rezeption von Inhalten geht, die so auch auf anderen Kanälen verbreitet werden können.

Nichtmediales Internet

Ich habe mir erlaubt, diese unüberlegte und unseriöse (gekränkte?) Darstellungsform zu korrigieren. Wenn der Gesichtspunkt die Nutzungszeit (Y-Achse) ist, dann lässt sich die besonders intensive Online-Nutzung eben nicht unter den Tisch (den Strich) kehren, sondern gehört neben die anderen Säulen. Wie wird denn bitteschön Fernsehen und Radio überwiegend genutzt? Meist doch als Hintergrundmedium oder zur vorübergehenden Bespaßung. Wenn hier inhaltsanalytisch herangegangen würde, müsste dem größten Teil dieser Mediennutzung das Beiwort „tagesaktuell“ entzogen werden.

nichtmedial

Kommentare

31.07.2015 | Das EU-geförderte Projekt Grundversorgung 2.0 an der Leuphana-Universität Lüneburg, als dessen „operativer Leiter“ ich Anfang 2013 hinzu-gecastet wurde, ist beendet. Seine Ergebnisse: Eine Vielzahl von akademischen Einzelveröffentlichungen, Vorträgen und Beratungsgesprächen auch im medienpolitischen Raum, ein Grimme-Online-Award, eine Social-Media-Applikation zur Beobachtung der politischen Kommunikation, eine Smartphone-App für mediendidaktische Zwecke. Wie immer in langjährigen Projekten gab es auch Ideen, die nicht zu Ende geführt werden konnten oder scheiterten. Gelungen waren mehrere Konferenzen, z. B. Neueste Nachrichten. Ansonsten kam in zweieinhalb Jahren Zusammenarbeit im Centre for Digital Cultures viel Stoff für einen Campus-Roman zusammen …

Kommentare