[Eingesandt an den ZDF-Fernsehrat zur Berücksichtigung bei der Beratung über das geänderte Konzept. Weitere Stellungnahmen finden sich hier.]

21.10.2019 | Die Weiterentwicklung des ZDF-Telemedienangebots begrüße ich grundsätzlich. Das vorgelegte Konzept reagiert auf die im 22. Rundfunkänderungsstaatsvertrag erweiterten Möglichkeiten für Online-Angebote, schöpft diese jedoch keineswegs aus. Die Medienumgebung für massenmediale Angebote (Presse und Rundfunk) hat sich seit den letzten Drei-Stufen-Tests vor zehn Jahren dramatisch verändert. Fernsehunternehmen stehen vor der Aufgabe, ihre Prioriäten im Hinblick auf ihre Angebotsstruktur, ihre Arbeitsweise und ihr Management grundlegend zu verändern. Der frühere SWR-Intendant Boudgoust gab hierzu im Januar 2019 einen prägnant formulierten Hinweis: „Wir werden in fünf bis zehn Jahren das lineare Programm primär als Schaufenster nur noch nutzen für das, was dann non-linear abgerufen wird.“ (Stuttgarter Zeitung, 01.02.2019) Die Transformation eines Fernsehunternehmens zu einer Internet-Plattform mit linearer Option setzt ein verändertes Selbstverständnis voraus. Dieses – zumindest eine Ahnung davon – habe ich im geänderten Telemedienkonzept gesucht und nicht gefunden. 

Weiterlesen Stellungnahme zum ZDF-Telemedienkonzept

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[In unwesentlich gekürzter Form erschienen in der FAZ vom 08.05.2019]

30.05.2019 | Die zwölf deutschen Rundfunkanstalten werden von insgesamt 667 Frauen und Männern in Rundfunk- und Verwaltungsräten beaufsichtigt. Sie werden nicht gewählt, sondern von Verbänden und gesellschaftlichen Institutionen bzw. deren Vorständen entsandt. Die von ihnen repräsentierten unterschiedlichen Perspektiven und Lebenserfahrungen sollen sichern, dass das Programm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks „die Vielfalt der in einer Gesellschaft verfügbaren Informationen, Erfahrungen, Werthaltungen und Verhaltensmuster“ abbildet. So formuliert es das 2014 ergangene ZDF-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das Regeln für die Staatsferne der Organisation des Rundfunks festgelegt hat.

In den aktuellen Debatten um die Bestimmungen des nächsten Rundfunk- oder Medienstaatsvertrags bleiben die Rundfunkgremien unauffällig. Auch im Hinblick auf Strukturveränderungen, Modernisierungen und Sparmaßnahmen stützen sie eher die Wagenburg von ARD und ZDF, als dass sie durch eigene Ideen Orientierungen zu setzen versuchen. Die Rolle des an den Interessen der Allgemeinheit orientierten Gegenpols zu den Intendanten füllen sie in ihrer öffentlichen Präsentation nicht aus.

Weiterlesen Wir sollten die Rundfunkräte wählen

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Stellungnahme zum Rundfunkbegriff im Entwurf des Medienstaatsvertrags

Auch auf carta.info

22.08.2018 | Die Rundfunkkommission der Länder hat einen Entwurf für einen neuen Rundfunkstaatsvertrag zur öffentlichen Diskussion gestellt. Im Hinblick auf den Rundfunkbegriff hält der Entwurf an der Fiktion der unbeschadeten Fortexistenz der alten Massenmedien fest. Bestimmend für die Abgrenzung der privilegierten Rundfunkmedien bleiben weiterhin technische und formale Kriterien, aus denen „rundfunkähnliche Telemedien“ konstruiert werden. Die folgende Stellungnahme fordert eine prinzipiell andere Sichtweise, in der die reale Medientwicklung berücksichtigt wird.

Weiterlesen Neuer Medienstaatsvertrag – alter Rundfunk

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12.02.2018 | Die ARD-Audiothek-App hat das Potenzial, das zu zeigen, was vom Radio bleibt, wenn das System der linearen Programme zusammenbricht. Sie steckt allerdings noch in den Anfängen und hat viele u. a. durch den ARD-Verbund verursachte Kinderkrankheiten. Außerdem, und das wäre wohl das Wichtigste, muss sie nicht nur funktional, sondern auch rechtlich nach und nach von der Rolle eines bloßen Annex zum linearen Hörfunkprogramm befreit werden.

Fragwürdige und unübersichtliche Benutzeroberfläche – „Themen“, die in Wirklichkeit Sendreihen sind – „Sendungen“, die in Wirklichkeit redaktionelle Sendeplätze sind

In meinem Beitrag „Großes Potenzial. ARD-Audiothek aus Nutzersicht“ in epd-medien 06/2018 vom 09.02.2018 habe ich unter anderem diese acht Kritikpunkte dargestellt:

  1. Die Audiothek sollte als zentrales Programmangebot der ARD-Kultur- und Informationsredaktionen verstanden und auch so behandelt werden. Das bedeutet vor allem die Austattung mit einer Redaktion, die über die Qualifikationen und die zahlenmäßige Stärke einer Hörfunk-Kulturwelle verfügt. Die Audiothek hat das Potential, mit ihrer Nutzung die Reichweite jeder linearen wortorientierten Welle hinter sich zu lassen. Gerade deshalb benötigt sie die sorgfältige Einordnung, Präsentation und Kommentierung ihrer Angebote. Der automatisierte Rückgriff auf zufällig Vorhandenes, zum Beispiel Textbausteine aus dem Programm-Marketing, entwertet letztlich das Angebot.
  2. Zu den Aufgaben einer Redaktion zählt auch der ständige Dialog mit den Nutzern. Momentan bietet die Audiothek keinerlei Interaktionsmöglichkeiten an, was auch Autoren und die Redakteure in den beteiligten Anstalten schmerzen müsste.
  3. Die Nomenklatur der Angebots-Ebenen sollte komplett überarbeitet werden. Die „Episoden“ der Audiothek sind keine Episoden, die „Themen“ keine Themen, die „Sendungen“ keine Sendungen. Es ist sicher nicht einfach, schlagkräftige und allseits verständliche Benennungen für die einzelnen Kategorien zu finden. Die bisherigen Lösungen jedenfalls sind nur – seltsam. Das Know-how der vielen klugen Archivare in den Landesrundfunkanstalten könnte hier vielleicht helfen.
  4. Die Autoren und Beteiligten der einzelnen Elemente/Beiträge sollten in den Beschreibungen auftauchen. Momentan gibt es nicht einmal bei Hörspielen und Features Autorenangaben.
  5. Eins der wichtigsten Merkmale jedes Beitrags wird den Nutzern ebenfalls vorenthalten: die Verweildauer. Absurderweise taucht ein Hinweis auf die Verweildauer erst dann auf, wenn ein Beitrag aus dem Angebot herausgenommen wurde, jedoch noch in einer Liste enthalten ist. Nutzer dürfen erwarten, dass jeder Beitrag mit einem Verfügbarkeitszeitraum oder -datum gekennzeichnet wird. Das könnte auch die medienpolitische Sensibilität der Hörer und die Unterstützung zur Schleifung des Verweildauerkonzepts erhöhen.
  6. Ganz unverständlich und dringend revisionsbedürftig ist die Entscheidung, in der Audiothek die Livestreams der in ihr vertretenen Wellen nicht anzubieten. So schön es ist, dass ARD und Deutschlandradio ihre Streams bei sämtlichen Aggregatoren verfügbar machen, am sinnvollsten ist dies doch im eigenen Angebot. Hinter der Entscheidung lässt sich nur der schon erwähnte regionale Eigensinn vermuten. In diesem Fall stehen nicht nur die Interessen der Nutzer, sondern auch die erzielbaren Reichweiten auf dem Spiel. Sinnvoll wäre die Kombination der Livestreams mit dem Listing des jeweiligen Tagesprogramms und einer mehrtägigen Vorschau.
  7. Die schon erwähnte Problematik der fehlenden Hörspielangebote könnte durch redaktionelle Anstrengungen zumindest gemildert werden. In der Hörspielrubrik der Audiothek sollten alle tagesaktuellen Hörspiele mit Links zu den Programmtexten und den Livestreams aufgeführt werden, auch und gerade wenn sie anschließend nicht in der Audiothek erscheinen.
  8. Obwohl Smartphones die meistgenutzten Internet-Geräte sind, sind Tablet- und Desktop-Versionen der App natürlich wünschenswert. Diese Gerätekategorien ermöglichen eine bequemere Navigation und können mindestens ebenso leicht mit heimischen Audioanlagen verbunden werden.

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21.07.2017 | Der israelische Militärhistoriker Martin van Creveld hat einen Roman geschrieben: Hitler in Hell, unter anderem als Kindle erhältlich. Dieser Hitler sitzt in der Hölle, die ihn so langweilt wie vordem das Gefängnis in Landsberg am Lech. Wieder schreibt er mit Unterstützung durch Rudolf Hess seine Weltsicht auf. Da es in der Hölle nun auch Breitband-Anschlüsse gibt, hilft ihm das Black Internetz bei der Orientierung im aktuellen Weltgeschehen…

John Walker, vormaliger Gründer und Chef von Autodesk (bekannt durch die Konstruktions-Software Autocad), der seit vielen Jahren in der Schweiz lebt und seinen persönlichen Interessen nachgeht, rezensiert van Crevelds Buch in seinem Blog. Die höllische Internet-Variante kommentiert er so: „My own personal idea of Hell would be an Internet connection which only allows you to read Wikipedia.“ Das ist zweideutig. Für mich jedenfalls wäre ein ausschließlich aus der Wikipedia bestehendes Internet die Hölle.

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28.06.2017 | Stellungnahme zu einem Referentenentwurf vom 17.05.2017, der für die Beratungen zur nächsten Novelle des Rundfunkstaatsvertrags den Telemedienauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks neu definiert. Anders als z. B. von Leonard Dobusch behauptet, ist eine Lockerung des Zwangs zum Sendungsbezug von Online-Medien oder eine Vereinfachung der Prüfverfahren zu Telemedienkonzepten (Dreistufentests) im Entwurf nicht zu finden. Statt dessen gefällt er sich im Auftürmen sprachlicher Ungeheuerlichkeiten (z. B. gibt es eine dreifach mit dem Wort „überwiegend“ verschachtelte Bedingungskette) und bietet an anderen Stellen bloße Formulierungs-Retuschen ohne Substanz.

Weiterlesen Mehr Chancen für öffentlich-rechtliche Telemedien

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Artikel der Chemnitzer Freien Presse vom 24.11.2016, zu dem ein paar Einschätzungen beigetragen wurden.

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16.11.2016

Über mediale Faktoren seines Erfolgs und Konsequenzen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk

Von Wolfgang Hagen und Hermann Rotermund

Auch auf CARTA.info

Der Beitrag setzt sich mit vier Faktoren auseinander, deren spaltender Einfluss auf die Medien und die Öffentlichkeit der USA im jüngsten Präsidentschafts-Wahlkampf sichtbar wurden: der Tradition des Talk-Radios, den Fox News, den Scripted-Reality-Formaten des Fernsehens und den Teil-Öffentlichkeiten der Social Media des Internet. Er zieht Konsequenzen für die Aufgaben der deutschen öffentlich-rechtlichen Medien, deren Kommunikationsbemühungen im Social-Media-Bereich bislang nicht über die Verteilung von Links und Empfehlungen hinausgehen.

Weiterlesen President-elect Donald Trump

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09.10.2016 | Auch auf www.carta.info

Das 108-seitige Gutachten Legitimation und Auftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Zeiten der Cloud von Dieter Dörr, Bernd Holznagel und Arnold Picot dient der Bestandsaufnahme und der Perspektivbestimmung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Es unternimmt den durch eine Perlenschnur von Thesen verbundenen Versuch, den Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unter den aktuellen Bedingungen der sich wandelnden Medienumgebung zu stützen. Dagegen wäre nichts einzuwenden, aber schon die Analyse des Heute im Jahr 2016 lässt Fragen offen. Der Neologismus „Cloud-TV“ erweist sich dabei als wenig hilfreich.

Der Status quo ließe sich in wenigen Sätzen so beschreiben: Noch hat das Fernsehen neben der Internet-Nutzung eine bedeutende Rolle, wenn auch nicht mehr für alle Mediennutzer. Speziell das öffentlich-rechtliche Fernsehen hat Jüngere, Ärmere und weniger Gebildete als Zuschauer schon verloren. Dabei ziehen die beiden letztgenannten Gruppen eher andere Fernsehanbieter vor und nutzen auch via Smartphone das Internet anders als die älteren, gebildeteren und einkommenstärkeren Mileus. Die Mediennutzung zur Unterhaltung und Ablenkung wird von öffentlich-rechtlichen Anbietern auftragsgemäß nur neben informativen, bildenden und kulturellen Angeboten adressiert. Köder wie Sportübertragungen erreichen das Ziel einer nachhaltigen Bindung der ansonsten abtrünnigen Zuschauergruppen an die öffentlich-rechtlichen Programme eher nicht.

Die Autoren des Gutachtens sehen die Situation ansatzweise ähnlich, auch wenn sie sich mit den Reichweitenverlusten der Öffentlich-Rechtlichen bei den geringer Verdienenden und Gebildeten nicht auseinandersetzen, sondern sich auf den Generationenabriss und die durch Internet-Nutzung erzeugten Verluste an Reichweite und Relevanz konzentrieren. Die Beschreibung des „Cloud-TV“ benennt eine Reihe von neuen Möglichkeiten für die Verbreitung von audio-visuellen Produkten und auch relevante Anbieter wie Youtube oder Amazon, mit denen sich traditionelle Fernsehunternehmen beim Wettbewerb um Nutzungszeiten konfrontiert sehen. Die Sichtweise des Gutachtens weist allerdings zwei gravierende Mängel auf:

  1. Das Internet in seinen verschiedenen Ausprägungen und Nutzungsformen (vom PC bis zum Smartphone) wird ausschließlich als weiteres _Verbreitungs_medium gesehen, nicht auch als Kommunikationsmedium. Für die Autoren sind Social-Media-Plattformen offenbar nur Spielwiesen für Algorithmen, die personalisierte Empfehlungen für den Konsum von Medienprodukten anbieten. Dass es auch Empfehlungen von Person zu Person gibt, dass Sympathie und Vertrauen aus der Kommunikation – zwischen Nutzern und auch zwischen Anbietern und Nutzern – hervorgehen und in ihr bestätigt werden, scheint ihnen nicht bekannt zu sein.
  2. Das Internet und seine Plattformen wird als neuer Wettbewerber neben den traditionellen Medien gesehen und nicht als vereinheitlichende umfassende Umgebung für alle Medien. Wenn das „Heute“ der Medienkultur zwischen 1996 mit den ersten tastenden Erkundungen netzbasierter Technologien und einer weiterhin von Dynamik und technischer Innovation geprägten nahen Zukunft des Jahres 2036 lokalisiert wird, kann es bei dieser Status-quo-Feststellung nicht bleiben.

Zur Stärkung der Legitimation des öffentlich-rechtlichen Auftrags müsste ein Szenario jenseits der sich andeutenden Bruchlinie entwickelt werden. Wenn also in 20 Jahren das öffentlich-rechtliche Fernsehen für die 15- bis 69-Jährigen nicht mehr interessant ist (wie heute schon für die 15- bis 49-Jährigen) und die öffentlich-rechtlichen Medien gleichzeitig mit ihren Internet-Angeboten so wenig erfolgreich sind wie heute (Beispiel: tagesschau.de hat nur ein Drittel der Nutzer von n-tv.de), welchen Sinn haben dann noch der Auftrag und die Beitragsfinanzierung? Es ist sehr unwahrscheinlich, dass das öffentlich-rechtliche System unter den genannten Prämissen in 20 Jahren noch existiert, wenn es dann keinen messbaren, nennenswerten, relevanten Beitrag zur Vielfaltssicherung und zur Förderung der freien, demokratischen Meinungsbildung mehr leistet. Nur die Transformation der momentan noch ans Paradigma des Rundfunks fixierten öffentlich-rechtlichen Medien in ein netzbasiertes Mediensystem wird ihre Existenz legitimieren und sichern können. Dazu müssten die verfassungsrechtlichen, unionsrechtlichen und einfachgesetzlichen Möglichkeiten ausgelotet und zum Teil sicher neu formuliert werden.

Die Anrufung eines medientheoretisch fragwürdigen Geistwesens namens „Cloud-TV“ und auch die ausführliche Beschreibung der Bemühungen der BBC zur Ausschöpfung neuer Verbreitungswege und -verfahren hilft bei der Bestimmung einer Zukunftsperspektive für das öffentlich-rechtliche System nicht weiter. Das vom ZDF bestellte Gutachten bestätigt den Auftraggebern letztlich nur ihren Status quo. Weil sie damit keinen Beitrag zur Formulierung der Zukunftsaufgaben für das öffentlich-rechtliche System und deren medienrechtliche und medienpolitische Bahnung leisten, schaufeln die Gutachter am Grab dieses Systems mit.

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