09.10.2016 | Auch auf www.carta.info

Das 108-seitige Gutachten Legitimation und Auftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Zeiten der Cloud von Dieter Dörr, Bernd Holznagel und Arnold Picot dient der Bestandsaufnahme und der Perspektivbestimmung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Es unternimmt den durch eine Perlenschnur von Thesen verbundenen Versuch, den Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unter den aktuellen Bedingungen der sich wandelnden Medienumgebung zu stützen. Dagegen wäre nichts einzuwenden, aber schon die Analyse des Heute im Jahr 2016 lässt Fragen offen. Der Neologismus „Cloud-TV“ erweist sich dabei als wenig hilfreich.

Der Status quo ließe sich in wenigen Sätzen so beschreiben: Noch hat das Fernsehen neben der Internet-Nutzung eine bedeutende Rolle, wenn auch nicht mehr für alle Mediennutzer. Speziell das öffentlich-rechtliche Fernsehen hat Jüngere, Ärmere und weniger Gebildete als Zuschauer schon verloren. Dabei ziehen die beiden letztgenannten Gruppen eher andere Fernsehanbieter vor und nutzen auch via Smartphone das Internet anders als die älteren, gebildeteren und einkommenstärkeren Mileus. Die Mediennutzung zur Unterhaltung und Ablenkung wird von öffentlich-rechtlichen Anbietern auftragsgemäß nur neben informativen, bildenden und kulturellen Angeboten adressiert. Köder wie Sportübertragungen erreichen das Ziel einer nachhaltigen Bindung der ansonsten abtrünnigen Zuschauergruppen an die öffentlich-rechtlichen Programme eher nicht.

Die Autoren des Gutachtens sehen die Situation ansatzweise ähnlich, auch wenn sie sich mit den Reichweitenverlusten der Öffentlich-Rechtlichen bei den geringer Verdienenden und Gebildeten nicht auseinandersetzen, sondern sich auf den Generationenabriss und die durch Internet-Nutzung erzeugten Verluste an Reichweite und Relevanz konzentrieren. Die Beschreibung des „Cloud-TV“ benennt eine Reihe von neuen Möglichkeiten für die Verbreitung von audio-visuellen Produkten und auch relevante Anbieter wie Youtube oder Amazon, mit denen sich traditionelle Fernsehunternehmen beim Wettbewerb um Nutzungszeiten konfrontiert sehen. Die Sichtweise des Gutachtens weist allerdings zwei gravierende Mängel auf:

  1. Das Internet in seinen verschiedenen Ausprägungen und Nutzungsformen (vom PC bis zum Smartphone) wird ausschließlich als weiteres _Verbreitungs_medium gesehen, nicht auch als Kommunikationsmedium. Für die Autoren sind Social-Media-Plattformen offenbar nur Spielwiesen für Algorithmen, die personalisierte Empfehlungen für den Konsum von Medienprodukten anbieten. Dass es auch Empfehlungen von Person zu Person gibt, dass Sympathie und Vertrauen aus der Kommunikation – zwischen Nutzern und auch zwischen Anbietern und Nutzern – hervorgehen und in ihr bestätigt werden, scheint ihnen nicht bekannt zu sein.
  2. Das Internet und seine Plattformen wird als neuer Wettbewerber neben den traditionellen Medien gesehen und nicht als vereinheitlichende umfassende Umgebung für alle Medien. Wenn das „Heute“ der Medienkultur zwischen 1996 mit den ersten tastenden Erkundungen netzbasierter Technologien und einer weiterhin von Dynamik und technischer Innovation geprägten nahen Zukunft des Jahres 2036 lokalisiert wird, kann es bei dieser Status-quo-Feststellung nicht bleiben.

Zur Stärkung der Legitimation des öffentlich-rechtlichen Auftrags müsste ein Szenario jenseits der sich andeutenden Bruchlinie entwickelt werden. Wenn also in 20 Jahren das öffentlich-rechtliche Fernsehen für die 15- bis 69-Jährigen nicht mehr interessant ist (wie heute schon für die 15- bis 49-Jährigen) und die öffentlich-rechtlichen Medien gleichzeitig mit ihren Internet-Angeboten so wenig erfolgreich sind wie heute (Beispiel: tagesschau.de hat nur ein Drittel der Nutzer von n-tv.de), welchen Sinn haben dann noch der Auftrag und die Beitragsfinanzierung? Es ist sehr unwahrscheinlich, dass das öffentlich-rechtliche System unter den genannten Prämissen in 20 Jahren noch existiert, wenn es dann keinen messbaren, nennenswerten, relevanten Beitrag zur Vielfaltssicherung und zur Förderung der freien, demokratischen Meinungsbildung mehr leistet. Nur die Transformation der momentan noch ans Paradigma des Rundfunks fixierten öffentlich-rechtlichen Medien in ein netzbasiertes Mediensystem wird ihre Existenz legitimieren und sichern können. Dazu müssten die verfassungsrechtlichen, unionsrechtlichen und einfachgesetzlichen Möglichkeiten ausgelotet und zum Teil sicher neu formuliert werden.

Die Anrufung eines medientheoretisch fragwürdigen Geistwesens namens „Cloud-TV“ und auch die ausführliche Beschreibung der Bemühungen der BBC zur Ausschöpfung neuer Verbreitungswege und -verfahren hilft bei der Bestimmung einer Zukunftsperspektive für das öffentlich-rechtliche System nicht weiter. Das vom ZDF bestellte Gutachten bestätigt den Auftraggebern letztlich nur ihren Status quo. Weil sie damit keinen Beitrag zur Formulierung der Zukunftsaufgaben für das öffentlich-rechtliche System und deren medienrechtliche und medienpolitische Bahnung leisten, schaufeln die Gutachter am Grab dieses Systems mit.

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Paper (Draft version) for RIPE conference Antwerp 22–24 Sep 2016

Abstract

The paper takes the view that a complete transformation of PSM institutions and strategies is necessary to cope with the disruptive changes in media use. Broadcast enterprises are endangered by the generation rift, vanishing relevance in their traditional fields and a minor role in online competition. The unavoidable departure for the networked future has its downsides, and enthusiastic interpretations of the networked society have to be rejected. Issues like the measurement of relevance and the priorization of linearity over the non-linear and interactive poles of digital media production are treated in the second half. The argumentation ends with a hopeful consideration of regulation strategies.

Weiterlesen Networked society, disoriented audiences 
and the future of Public Service Media

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08.08.2016 | Bereits Ende der neunziger Jahre gab es Abstimmungen über das Design der Webauftritte des ARD-Verbundes. Nach einigen Jahren wurde eine Vereinheitlichung erreicht, die im wesentlichen das Layoutraster, das horizontale Menüband, die Schriften und die Farben betrafen. Auch Updates des Designs gab es. Ein Familienmitglied der öffentlich-rechtlichen Stationen hat sich allerdings oft nicht vollständig an die Design-Absprachen gehalten, der WDR.

Weiterlesen ARD-Design im Web: Wie ist das nur möglich?

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03.08.2016 | Ein gesteigertes Transparenzverlangen hat in den letzten Jahren auch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk erreicht. Der für eine Buchveröffentlichung geschriebene Beitrag argumentiert nach einem Blick auf die Organisationsgeschichte kritisch für eine Unterstützung des bestehenden Aufsichtssystems, in dessen Zentrum die Rundfunkräte stehen.

Weiterlesen Transparenz in deutschen Rundfunkräten

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Zuerst erschienen: CARTA.INFO | 15.06.2016

Solange die Politik zur Bewältigung von Anpassungsproblemen nur die Integrationsbereitschaft der Zugezogenen und nicht auch die Integrationsbereitschaft der Eingesessenen thematisiert, wird es eine funktionierende moderne und multikulturelle Gesellschaft nicht geben. Eine Replik auf Klaus Vater.

Weiterlesen Integrationsfähigkeit Mangelware

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So einfach machen es sich heute Vertreter einer Industrie-Lobby und von Regierungen. Auf einer Veranstaltung, deren erklärtes Ziel die Durchsetzung von DAB-Digitalradios in Fahrzeugen war, „forderten“ die Teilnehmer eine europäische Vision:

<http://www.radioszene.de/91173/worlddab-dab-auto.html>

Auch wenn mit „Vision“ vielleicht ein gemeinsames Konzept gemeint ist: Warum haben diejenigen, die inzwischen seit Jahrzehnten für die Durchsetzung eines speziellen technischen Verbreitungswegs für linearen Hörfunk eintreten, nicht schon längst selbst ein Konzept? Auch wenn die Behauptung, Radio benötige auch in der Zukunft einen eigenen terrestrischen Verbreitungsweg, immer wieder mit religiösem Eifer vorgetragen wird, scheint sie doch den meisten Europäern weder überzeugend noch plausibel genug zu sein, um sich ihr anzuschließen. Statt dessen wird weiter UKW eingeschaltet und zunehmend auch Hörfunk über IP-Streams genutzt.

Mit einer solchen Lobby wird DAB+ noch schneller zu DAB ✝.

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Zu meinen schlimmsten Erfahrungen in Arbeitszusammenhängen gehört eine Phase, in der es einmal wöchentlich oder zumindest doch mehrmals im Monat eine Skype-Konferenz gab. Manchmal nahmen nur fünf oder sechs Mitarbeiter teil, manchmal waren es mehr als zehn. Diese Konferenzen dauerten bis zu zwei Stunden und hatten nie produktive Ergebnisse. Die Tagesordnungen mit Berichten der einzelnen Mitarbeiter wurden sklavisch abgearbeitet. Die Berichte waren zum Gähnen detailliert und enthielten kaum Neuigkeiten – die wären allen auch schon über eine Mailing List bekannt gemacht worden. Statt des wohl angestrebten Wir-Gefühls verbreitete sich durchweg gegenseitiger Groll: Alles Schwätzer – außer mir.
Bei manchen dieser Konferenzen dauerte es zwanzig Minuten bis zum eigentlichen Beginn. Das war die beste Zeit, sie gehörte den Anekdoten-Erzählern. Danach boten nur die Unterbrechungen durch Kleinkinder, Paketdienste oder Verkehrslärm bei einzelnen Teilnehmern Abwechslung. Offenkundig waren die meisten ohnehin eher abwesend, denn im Hintergrund war immer multiples Tastenklicken zu hören. Die rituellen Termine boten gute Gelegenheit, endlich einmal die aufgelaufenen E-Mails zu bearbeiten.
Diese Konferenzen erzeugten keine Teilhabe an spannenden Entwicklungen, sie brachten solche auch nicht durch neue Ideen voran. Alle potentiellen Ansätze kollektiver Weisheit wurden überlagert durch allgemeine Dumpfheit.
Wie schön, dass jemand dazu auch eine „Theorie“ entwickelt hat: Schon auf der re:publica 2015 trug Gunter Dueck seine Beobachtungen zur Schwarmdummheit vor, die er 2016 durch Thesen zu modernen Cargo-Kulten ergänzte. Für mich eine etwas späte Entdeckung, Entlastungen funktionieren nicht nachträglich, aber unterhaltsam sind die Vorträge.

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Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) beklagt sich in ihrem 20. Bericht darüber, dass sie sich angesichts des allseitigen Versagens aller anderen Akteure in Politik und Sendern zur Perspektive des Digitalradios äußern muss. Sie überschreitet damit in der Tat die Grenzen ihres Auftrags, der sich im wesentlichen auf die Prüfung tatsächlicher Vorlagen bezieht. Sie tut jedoch gut daran, einige Eckdaten zu formulieren:

Die Kommission erwartet, dass mit den Anmeldungen von ARD und Deutschlandradio zum 22. Bericht im Frühjahr 2019 die folgenden Meilensteine erreicht worden sind:
• Bund und Länder haben eine Entscheidung über ein Konzept zur Abschaltung von UKW getroffen. 

• Die Marktpartner haben sich auf eine Methodik zur Ermittlung der DAB+-Nutzung geeinigt und die Nutzungszahlen werden publiziert. 

• Bedeutende Automobilhersteller bieten DAB+-Radios als Serienausstattung an. 

• Mindestens 27 % aller Haushalte besitzen ein DAB+-Empfangsgerät

Innerhalb von drei Jahren werden sich diese Ziele kaum erreichen lassen. Wenn momentan ca. 10 Prozent der deutschen Haushalte über ein DAB+-Empfangsgerät verfügen, wodurch sollte eine annähernde Verdreifachung erreicht werden? Jeder Blick in die Radio-Regale der Technikmärkte zeigt, dass diese Geräte immer noch unattraktiv und zu teuer sind, bei nicht erkennbarem Mehrwert gegenüber einem UKW-Radio. DAB+-Radios sind meistens Hybrid-Empfänger, die auch UKW beherrschen. Kaum teurer sind Kombigeräte, die auch als Internet-Radios im häuslichen WLAN funktionieren. Der Mehrwert dieser Geräte ist offenkundig: Zigtausende Radiostationen können empfangen werden, Musikdienste wie Spotify können abgerufen werden, das Smartphone kann angeschlossen werden. Bei dieser Geräteklasse ist das Radio in der Jetztzeit angekommen. DAB+ hingegen ist eine Phantasie aus der Vergangenheit, die als untoter Fliegender Holländer durch den Äther segelt.

Die Medienforschung begann Ende der zwanziger Jahre bekanntlich damit, dass statt der verkauften Radiogeräte die Einschaltzeiten für verschiedene Sender ermittelt wurden. Wie schwer es heute noch ist, Nutzungszahlen zu ermitteln, zeigt die von der Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten beauftragte Studie. In der am 4.12.2014 veröffentlichten Ausschreibung wurde eine Erhebung gefordert:

  • die den Anbietern von bundesweiten Digitalradioprogrammen erstmals Auskunft über die nationale Hörer‐Reichweite gibt,
  • die qualitative Informationen über das Nutzungsverhalten von Radio in DAB+‐Haushalten liefert,
  • die den privaten Digitalradioprogrammen repräsentative Reichweitendaten zur Werbevermarktung liefert.

Insbesondere der Mehrwert der DAB+-Nutzung gegenüber der UKW-Nutzung sollte herausgearbeitet werden. Die Ergebnisse sind jedoch äußerst dürftig. Das beauftragte Unternehmen (ifak) ermittelte die Nutzungsweise von Radio in fast 1300 Haushalten, die über mindestens ein DAB+-Gerät verfügen. Es gelang ihm allerdings nicht einmal, bei den ermittelten Nutzungsweisen zwischen DAB-+Empfang und Internetradio-Empfang zu unterscheiden. Es bleibt also weiterhin viel Raum für die üblichen Behauptungen der Relevanz von DAB+ für die Zukunft des Hörfunks. Konkrete Zahlen könnten da vielleicht nur schaden.

Welchen Empfangsweg wählen 1Live-Hörer wohl tatsächlich: DAB+ oder Internet?

Quelle: ifak/Die Medienanstalten

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John dos Passos: Jahrhundertmitte. Reinbek 1963 (Original 1960), S. 11.
John dos Passos: Jahrhundertmitte. Reinbek 1963 (Original 1960), S. 11.

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Die Popularität und insofern der Erfolg der Wikipedia ist unbestreitbar. Heute wird sie 15 Jahre alt. Wer wissen möchte, wieviele Einwohner Finnland hat oder über welche Trivia aus dem Leben bekannter Künstler auf einer Vernissage geplaudert werden könnte, ist mit der Wikipedia gut bedient. Wer hingegen wissen oder erforschen möchte, was es mit dem Sturm und Drang oder dem Geniekult auf sich hat, wird mit kurzen, zufälligen und oberflächlichen Bemerkungen abgespeist und erhält nicht einmal einigermaßen aktuelle, ausgewogene und weiterführende Literaturhinweise. Die Beiträge in traditionellen Jugendlexika waren sinnvoller strukturiert und lehrreicher. Das in der Wikipedia offenbar durchgesetzte Prinzip, dass eben nicht die besten Experten die Artikel schreiben, sondern Laien und Banausen, senkt das Niveau oft auf ein unerträgliches Maß herab. Es gibt im Wikipedia-Ozean auch viele bemerkenswerte Beiträge und Rubriken. Ein internationales Filmlexikon ist überflüssig geworden, weil die amerikanische Wikipedia eine Unzahl von Filmen enthält und nach einem sehr brauchbaren Standard beschreibt. Weiterlesen Ein Wiki ist keine Enzyklopädie

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